Freitag, 5. Januar 2018

KUNST und Heilfaktor

Gestern mit einer Künstlerkollegin ihren Kurzfilm besprochen. Zuerst technische Umsetzung, dann habe ich sie nach der Bedeutung gefragt. Sie meinte, sie könne darauf keine Antwort geben, weil ihr das zu intim sei. Weil sie mit ihrer Kunst ihr tiefstes Inneres verarbeite. 
Ich: Man kann doch nicht schon mit der Antwort auf die erste Frage jedes Gespräch über die eigene Kunst abblocken, indem man erklärt, dass alles Weiterführende zu intim sei. Wenn es ihr zu intim wird, muss sie trotzdem drüber reden. Einfach indem sie lernt über die „wahre Bedeutung“, über ihr tiefstes Inneres, ihre – von mir aus – Verletzlichkeit, drum herumzureden. Das hat rein gar nichts mit Gefallen-Wollen oder Selbstvermarktung zu tun, bei denen ja immer der Vorwurf mitschwingt, dass man zugunsten von Gewinn – sei es an Aufmerksamkeit oder Profit – die Wahrheit oder Echtheit vernachlässigt. Im Gegenteil: Ich glaube, dass dieses Drum-Herumreden einer der Wege ist, auf dem man auf das kommt, was ich immer „Kunstformel“ nenne oder, wenn man es aufs Leben überträgt, Kunstformel fürs Leben. Zur Erinnerung, was ich unter Kunstformel verstehe: Niemand weiß was Kunst ist (am ehesten kann man sich darauf einigen, dass Kunst etwas ist, dass einen ganz heftig tief im Innersten berührt) und es gibt keine Anleitung fürs Kunst-Machen. Deshalb entwickelt jeder Künstler, um nicht an dieser Unkenntnis zu verzweifeln, seine eigene Kunstformel. Meine Kunstformel lautet: Ich weiß nicht, was Kunst ist, also muss ich mir andere Maßstäbe festsetzen, die außerhalb des Bereichs Kunst liegen, und versuchen, darin so gut wie möglich zu sein. Und dieses positive Gefühl, das ich dadurch erlange, aufs Kunst-Machen übertragen. Nachdem Motto: Wenn ich es schaffe, mich an all meine eigenen Regeln zu halten, dann bin ich gut und wenn ich ein besonders guter Mensch bin, ist automatisch alles, was ich mache, Kunst.
Überhaupt frage ich mich, warum so viele auf die Idee kommen, man möchte mit ihnen über ihre Probleme sprechen, wenn man sie nach der Bedeutung ihrer Kunst fragt. Jeder hat zu kämpfen. Und die eigenen Problem sind immer der Ausgangspunkt fürs Kunstschaffen, der Grund, wieso man Kunst macht – zumindest am Anfang. Doch irgendwann sollte jeder mit seiner Kunst über den Zustand der permanenten Selbstbespiegelung hinauskommen. Und zwar mittels ebenjener Kunst. Indem man mit Kunst die eigenen Probleme verarbeitet und durchs Kunst-Machen genug Selbstvertrauen, Selbstzufriedenheit gewinnt, sodass die eigenen Probleme nicht mehr alles andere überlagern. Es gibt also doch die Kategorien „Gelungen“ und „Misslungen“ in der Kunst, die man am „Heilfaktor“ der Kunst festmachen kann.
Dass Kunst einem Künstler hilft mit dem Leben besser klarzukommen, das ist für mich die wahre Wirkung von Kunst.